Die großen US-Aktienindizes klettern von einem Hoch zum nächsten, angetrieben von einem großen Enthusiasmus rund um die Künstliche Intelligenz (KI). Anlegern stellt sich die Frage nach einer bevorstehenden Korrektur, denn diese KI-Rally ist historisch. Die Gefahr einer Korrektur nimmt tatsächlich zu, vor allem bei den US-Aktien. Denn die Bewertung ist vergleichsweise hoch, was aber nicht nur die Tech-Aktien betrifft. Einige Analysten vergleichen die aktuelle Zeit daher mit der Dot-Com-Blase, aber ist das gerechtfertigt?
Der S&P 500, der die Aktien der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst, hat ein paar außergewöhnliche Monate hinter sich. Der Index hat seit seinen Tiefstständen im Oktober um rund 25 % zugelegt, in 15 der letzten 17 Wochen ging es nach oben. Das war zuletzt im Jahr 1989 der Fall. Hinter dem Anstieg stecken die Erwartungen baldiger Leitzinssenkungen in den USA und Europa sowie eine gute US-Quartalssaison, die von großen US-Technologieaktien mit KI (Künstliche Intelligenz)-Fantasie angetrieben wurde.
Ende 2023 erwarteten Marktexperten, dass die US-Notenbank (Fed) den Leitzins bis Ende 2024 in drei Schritten bis auf 4,6 Prozent senken wird. Ende Januar 2024 entschied sich die Fed, den aktuellen Leitzins zunächst in einer Spanne von 5,25 und 5,50 % beizubehalten. Während der jüngsten Kursrally des S&P 500 hat es somit keine Zinssenkungen gegeben. Die Inflation ist zwar gesunken, hat aber noch nicht das 2-Prozentziel der US-Notenbank erreicht. Eine solch massive Rallye, die größtenteils auf dem Enthusiasmus über Künstliche Intelligenz und großer Tech-Aktien beruht, hat zu Befürchtungen geführt, dass wir uns in einer Blase bei den Tech-Aktien befinden könnten, die mit der Dot-Com-Blase um die Jahrtausendwende vergleichbar ist.
Schaut man sich Tech-Riesen wie Amazon (ISIN: US0231351067), Meta (ISIN: US30303M1027) oder Tesla (ISIN: US88160R1014) an, dann stellt man jedoch fest, dass deren KGV´s bereits stark rückläufig sind. Das heißt, da ist ein Großteil der Luft schon raus und die Normalisierung des Bewertungsniveaus ist im Gange. Alle drei Titel verzeichneten 2023 die niedrigsten KGVs seit 10 Jahren. Alphabet (ISIN: US02079K3059) hingegen neigt ohnehin nicht zur Blasenbildung. Deren KGV bewegt sich seit 2013 in einer sehr konstanten Spanne. Bei Microsoft (ISIN: US5949181045) und Apple (ISIN: US0378331005) könnte man zwar eine Blasenbildung unterstellen, denn deren KGV hat sich in Relation zu 2013 zwar in etwa verdoppelt, bewegt sich aber bei beiden seit 2020 auf einem relativ konstanten hohen Niveau. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass sich die Kurse bei den großen Tech-Riesen nicht überproportional in Relation zu ihren Ergebnissen entwickelt haben. Also eher keine Blase, was nicht heißt, dass die Bewertungsniveaus sich nicht wieder beziehungsweise weiter nach unten anpassen könnten.
Nvidia spielt in einer eigenen Liga
Die Umsätze und Gewinne beim US-Chip-Wert Nvidia (ISIN: US67066G1040) sind ebenfalls durchaus real, und sie wachsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Das zeigen auch die jüngsten Quartalsergebnisse – das Zahlenwerk reiht sich in die vergangenen Spitzenquartale ein. Nvidias hervorragende Ergebnisse und der positive Ausblick haben deutlich gemacht, dass generative KI in jeder Hinsicht transformativ ist, und zwar auf eine Art und Weise, die die meisten von uns noch gar nicht begreifen können. Unter generativer KI versteht man eine Form der Künstlichen Intelligenz, die gestützt auf ihre Trainingsdaten Texte, Bilder und verschiedene andere Inhalte produzieren kann.
Das Unternehmen ist seiner Zeit weit voraus ist. Und der Aktienkurs erscheint angesichts des explosiven Wachstums des Unternehmens noch nicht einmal besonders teuer. Allerdings waren in der Vergangenheit nur wenig Unternehmen dieser Größe in der Lage, ein solches Wachstum aufrechtzuerhalten. Dies spiegelt sich auch bei Nvidia bereits wider in den KGVs des abgelaufenen Geschäftsjahres. Während der jährliche Höchstkurs in den Jahren 2021 bis 2023 noch bei KGVs zwischen 80 und 110 notierte, lag das Niveau im Geschäftsjahr 2023/2024 wieder auf dem niedrigeren Niveau der Vorjahre vom 50-Fachen des Gewinns. Kurzum: Nvidia spielt derzeit zwar eindeutig in einer eigenen Liga, aber die Bewertung ist nicht abgekoppelt von der Entwicklung des Ertragsniveaus
Die fehlende Marktbreite könnte allerdings zum Problem werden. Im vergangenen Jahr stieg der S&P 500, der nach den Marktbewertungen der Unternehmen gewichtet ist, um 24,2 %. Auf gleichgewichteter Basis wäre er hingegen nur um 11,6 % gestiegen. Damit war 2023 das erste Jahr seit 1998 (inmitten der Dot-Com-Euphorie), dass der S&P 500 seine gleichgewichtete Version um mehr als 10 Prozentpunkte übertraf. Im bisherigen Jahresverlauf ist der Index um rund 6 % gestiegen, während der gleichgewichtete Index nur um 2,5 % zugelegt hat.
Und das sind die Risikofaktoren
Während die Bewertung von Nvidia derzeit aufgrund der operativen Entwicklung leicht zu rechtfertigen sein mag, sieht der S&P 500 als Ganzes teuer aus: Er wird jetzt mit dem rund 22-Fachen des voraussichtlichen Gewinns gehandelt, da die Erwartungen für den Gesamtjahresgewinn für den Index von 245 bis 250 USD im Oktober auf heute 243 USD gesunken sind.
Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis in dieser Größenordnung gab es lediglich in jüngster Vergangenheit in Zeiten der geldpolitischen Lockerungen, beziehungsweise bei einem Leitzins nahe 0 %. Zudem ist es möglich, dass KI künftig stärker reguliert wird. Schließlich kann KI beispielsweise bei der Meinungsbildung vor Wahlen eine große Rolle spielen und manipulativ sein – im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt.
Die KI-Branche ist im Fluss, weshalb es schwer zu beurteilen ist, ob der KI-Boom zu einem Ende kommt oder die bisherige Entwicklung erst der Anfang ist. Eine Korrektur erscheint im aktuellen Umfeld durchaus wahrscheinlich. Vom Platzen einer Blase zu sprechen könnte jedoch übertrieben sein. Die Zukunft kann bis heute jedoch niemand vorhersagen, auch nicht die Künstliche Intelligenz.
Investmentidee(n)
Wir greifen an dieser Stelle das von uns vor den Nvidia-Quartalszahlen ausgewählte defensive Discountzertifikat (ISIN: DE000VM79SU0) auf, das seitdem um rund 5 Prozent gestiegen ist. Die einfache Funktionsweise kann im vorherigen Beitrag hier nachgelesen werden. Die Renditechance ist zwar gesunken, beträgt aktuell aber immer noch knapp 11 Prozent.