Was früher ein Nischensektor war, der oft politisch umstritten und wirtschaftlich begrenzt wuchs, entwickelt sich heute zu einem strategischen Eckpfeiler der europäischen Industriepolitik: Die Rüstungsbranche erlebt eine Renaissance, angetrieben von geopolitischen Risiken, gestiegenem Verteidigungsbedarf und massiven staatlichen Förderprogrammen. Was steckt hinter diesem Wandel, wie stabil ist er, und was bedeutet das für die Industrie und damit auch für die Aktien der europäischen Rüstungsunternehmen?
Frankfurt/Main, den 25.7.2025: Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 hat sich das sicherheitspolitische Denken in Europa grundlegend verändert. Einstige Tabus fallen, und Rüstungsinvestitionen werden heute nicht mehr nur als Kosten, sondern zunehmend als industrielle und geopolitische Notwendigkeit betrachtet. Die EU reagiert mit strategischen Initiativen: „Readiness 2030″ sieht vor, bis zu 800 Milliarden Euro an Verteidigungsmitteln zu mobilisieren – teils über neue Finanzinstrumente, teils über flexiblere Haushaltsregeln. Mit Programmen wie der „European Defence Industrial Strategy” (EDIS) und dem Notfall-Beschaffungsinstrument EDIRPA wird die Grundlage gelegt für gemeinsame Rüstungsprojekte, die Produktion auf europäischem Boden und eine stärkere Resilienz gegenüber globalen Lieferkettenrisiken.
Industrie auf Expansionskurs
Konzerne wie Rheinmetall, Hensoldt oder KNDS investieren massiv in neue Fertigungsstraßen, erweitern Standorte oder bauen Produktionskapazitäten in Osteuropa auf – auch direkt in der Ukraine. Die Nachfrage nach Munition, gepanzerten Fahrzeugen, Flugabwehrsystemen und elektronischer Aufklärungstechnologie übersteigt derzeit vielerorts das Angebot. Gleichzeitig entstehen neue Akteure: Start-ups wie das KI-gestützte Unternehmen Helsing entwickeln autonome Drohnensysteme oder robotergestützte Aufklärungstools, häufig im Schulterschluss mit klassischen Rüstungsunternehmen.
Gleichzeitig zeigen Megaprojekte wie das deutsch-französische Kampfpanzerprogramm MGCS oder das Kampfflugzeugsystem SCAF: Die europäische Zusammenarbeit ist ambitioniert, aber auch anfällig für nationale Interessen und industrielle Rivalitäten – etwa zwischen Airbus und Dassault.
Investitionsdynamik – mit politischen Klammern
Was den Markt derzeit besonders prägt, ist die enge Verflechtung mit politischer Förderung. Die Mittel aus EU-Fonds, etwa dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF), sind an strenge Regeln gebunden – z. B. an eine Mindestquote europäischer Wertschöpfung. Zwar wurden diese zuletzt etwas gelockert, doch Beteiligungen aus Nicht-EU-Staaten wie Großbritannien oder den USA können in einigen Programmen zum Ausschluss führen. Das macht transnationale Kooperationen komplexer und erfordert strategisches Geschick bei Unternehmensbeteiligungen oder Joint Ventures.
Hinzu kommen strukturelle Engpässe: Der Aufbau neuer Munitionsfabriken braucht Zeit, ebenso wie die Reaktivierung ehemaliger Produktionslinien. 2025 wurde in Europa nur rund die Hälfte der ursprünglich angestrebten Munitionsmenge tatsächlich ausgeliefert – ein Indiz für die Herausforderungen des schnellen industriellen Hochlaufs.
Fazit: Zwischen Sicherheitspolitik und industrieller Neuordnung
Die Rüstungsindustrie Europas ist im Umbruch – und das im doppelten Sinn. Einerseits wächst die Nachfrage nach militärischer Ausstattung auf ein Niveau, das jahrzehntelang nicht erreicht wurde. Andererseits verändert sich die Branche strukturell: weg vom Fokus auf einzelne nationale Beschaffungsvorhaben, hin zu einer europäisch koordinierten Sicherheitswirtschaft, die Technologie, Industrie und Politik enger verzahnt als je zuvor.
Für die kommenden Jahre deutet vieles auf eine Fortsetzung dieses Trends hin – auch wenn sich politische Mehrheiten, geopolitische Lagen oder fiskalische Spielräume ändern könnten. Klar ist: Sicherheit hat einen Preis, und Europa ist bereit, ihn künftig in Form langfristiger Industriepolitik zu zahlen. Daraus entstehen nicht nur neue sicherheitspolitische Realitäten – sondern auch ein Wirtschaftssektor, der wachstumsfähig, innovationsgetrieben und zunehmend strategisch gedacht ist.
Investmentidee(n) auf europäische Rüstungswerte
Anleger haben verschiedene Möglichkeiten in europäische Rüstungsaktien zu investieren. Der Amundi STOXX Europe Defense-ETF (ISIN: LU3038520774) enthält 21 europäische Verteidigungsunternehmen, die physisch vollständig repliziert werden. Die Aktien sind also im ETF enthalten. Die Top 3 Unternehmen sind Rheinmetall, BAE Systems und Leonardo, die aktuell zusammen knapp 33 % im ETF ausmachen. Die Gebühren für den ETF (TER) betragen 0,35 % jährlich.